Nachrichten

Elisabeth Naendorf spricht über den überraschenden Gewinn unseres Grundeinkommens


11. August 2021

 Ich hatte immer eine Arbeit, die mich sehr fasziniert hat. Da bin ich immer sehr privilegiert gewesen, was nicht selbstverständlich ist für eine Frau, die Theologie studiert hat.

Elisabeth Naendorf

Wir haben zu unserem Inspirationstag im Juni ein Grundeinkommen verlost. Und dieses wollen wir begleiten, in dem wir einmal im Monat mit der Gewinnerin des Grundeinkommens reden und uns erzählen lassen, wie es ihr damit so geht.


Hallo Elisabeth, danke, dass du dich dazu bereit erklärt hast, regelmäßig mit uns in Kontakt zu bleiben. Magst du dich erst einmal kurz vorstellen?

Gerne. Ich heiße Elisabeth Naendorf, Ich bin 60 Jahre alt und ich lebe seit 30 Jahren in Dresden. Ich bin Anfang der Neunziger, also genau 1991, nach Dresden gekommen. Für eine Stelle in der internationalen Jugendarbeit bei den Jesuiten damals. Das hab ich aber natürlich inzwischen hinter mich gelassen und bin jetzt seit 18 Jahren im Ökumenischen Informationszentrum als Ökumenereferentin und seit drei Jahren auch als Geschäftsführerin. Ich habe katholische Theologie studiert in Münster und als die hier eine Theologin suchten 2002, habe ich mich sehr gerne beworben und freue mich, dass ich die Stelle bekommen habe — Freue mich immer noch, dass ich die Stelle bekommen habe, weil ich finde, dass das eine sehr schöne Arbeit ist, hauptberuflich Ökumenereferentin zu sein.

Was macht man da so?

Ich darf in Theorie und Praxis wissen, was die anderen christlichen Geschwister zu bestimmten Themen zu sagen haben. Ich darf die Vielfalt würdigen, ich darf sie kennen, ich darf sie vorstellen. Das heißt, meine Aufgabe ist, in verschiedenen Gremien und Bezügen immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Christentum größer ist als die beiden großen Geschwister, die man so landläufig kennt: evangelisch und katholisch. Praktisch ist das zum Beispiel die Geschäftsführung im Stadtökumenekreis. Es ist die Begleitung, Durchführung, Organisation von ökumenischen Gottesdiensten und wöchentlich das ökumenische Friedensgebet in der Dresdner Kreuzkirche. 

Dann lass uns mal über das Grundeinkommen sprechen. Wie war dein Zugang zu Geld bisher? Also hattet ihr in der Familie immer genug davon? Oder eher nicht? Und wie bist du bisher damit umgegangen? 

Gute Frage. Also ja, wir hatten genug in der Familie. Ich bin immer gut mit meinem Geld ausgekommen. Auch jetzt. Ich lebe alleine. Ich habe keine Familie, ich habe keine Kinder — insofern sind diese Menschen in Deutschland durchaus in einer privilegierten Situation. Und ich muss auch dazu sagen, dass ich bei diesem Inspirationstag „anders wachsen“ dienstlich war. Wir waren eingeladen als Ökumenisches Informationszentrum und ich bin gerne gegangen, aber es war eben trotzdem eine dienstliche Anfrage. Und ich habe spontan und wahrscheinlich auch relativ unüberlegt bei diesem Gewinnspiel dann mitgemacht — noch während des Gottesdienstes.

Als gesagt wurde es wird heut nachmittag das Grundeinkommen verlost, habe ich mit meinem Handy gespielt und da überhaupt nicht mit gerechnet, dass es mich treffen wird, weil ich noch nie irgendetwas irgendwo gewonnen habe und. Das macht auch einen Teil meiner Verwirrung aus und meines Nachdenkens darüber, was ich mit diesem Geld tun werde.

Ich würde noch mal gern auf das Thema Arbeit zurückkommen: Wie würdest du das beschreiben, wie du jetzt in deine Lohnarbeit eingebunden bist und wie du auch andere Arbeiten in deinem Lebensalltag so sortieren und dir dafür Zeit nehmen kannst?

Die 40-Stunden-Woche war ja eigentlich dazu angelegt, dass es jemanden zu Hause gibt, der/die das alles organisiert, was man jetzt so nebenbei machen muss: Haushalt, Kochen, und vielleicht Angehörige pflegen. Wie ist das denn für dich?

Das war in meinem Leben unterschiedlich. Ich bin seit ich im Ökumenischen Informationszentrum bin, also seit 18 Jahren, nicht mehr auf einer 40-Stunden-Stelle. Oder 38, wie es im Westen wäre. Sondern wir haben hier alle nur Teilzeitstellen und das trifft auch für mich zu. Das heißt, ich hab immer so zwischen 28 bis 35 Stunden gehabt in meinen 18 Jahren. Aktuell sind es 28 Stunden. Und das hat natürlich zur Folge, dass ich etwas weniger verdiene.

Aber es hat eben immer schon den großen Vorteil gehabt, dass man ja mehr Zeit für sich selber hat. Das hatte ich die letzten Jahre jetzt nicht mehr so, aber ab jetzt würde ich mir das wieder vornehmen. Auch einen Tag in der Woche frei zu haben. Das hat jetzt auch nichts mit dem Grundeinkommen zu tun, sondern damit, dass ich schon vorher zum 1.7. von 35 Stunden auf 28 Stunden reduziert habe.

Und das finde ich tatsächlich auch einen Luxus, den diese Stelle mir bietet — wenn das Geld wie in meinem Falle reicht, weil ich eben davon nicht noch weitere Leute finanzieren muss. 

Über den Ausdruck Lohnarbeit bin ich gestolpert. So habe ich mich nie gefühlt — auch als ich noch 40 Stunden gearbeitet habe. Da ich eigentlich meine Arbeit immer gerne gemacht habe, dafür aber wenig noch nebenher im Bereich von Engagement. Vieles von dem, wofür ich mich engagieren würde, kann ich eben auch in meiner Arbeit tun. Das heißt Leute in Vereinen begleiten, vielleicht auch mal im Vorstand zu sein, sich um gesellschaftliche Fragen zu kümmern. Und da ist das schwierig zu trennen: Mach ich das jetzt in meiner Freizeit oder mache ich das noch im Rahmen meiner Arbeitstätigkeit? 

Sorgearbeit mache ich nicht. Ich habe allerdings während meiner Lebenszeit öfter Urlaube dafür eingesetzt, die Kinder von Freunden zu hüten, damit die Eltern mal in den Urlaub fahren können. Das ist für beide Seiten immer sehr schön, weil so eine Ersatzerzieherin für eine Woche natürlich auch nicht den ganzen Stress abkriegt, den Eltern sonst nur aushalten müssen. Es war eigentlich oft ein Urlaub mit Kindern, also wie eine Ferienmaßnahme und wenn es dann anstrengend wurde, kamen die Eltern wieder. Ich habe gedacht, sich an der Stelle einzubringen ist ein Beitrag, den Kinderlose vielleicht leisten können.

Und das habe ich tatsächlich jetzt auch wieder vor: Nachdem ich diese Möglichkeit durch das Grundeinkommen bekomme, möchte ich im Verlaufe dieses Jahres 4 oder vielleicht sogar 8 Wochen unbezahlten Urlaub nehmen und inzwischen die Enkelgeneration mit meiner Anwesenheit zu beglücken. Da das nicht in Dresden sein wird, lohnt es sich dann auch dafür Urlaub zu nehmen, weil man das ja nicht nachmittags erledigen kann.

Das hört sich schön an! 

Hast du denn das Gefühl, dass du Zeit für alles hast, was du gerne machen würdest in der Woche?

Manchmal möchte man ja schon nochmal einen Tanzkurs oder Sprachkurs machen oder… die Wohnung renovieren?

Naja, was zu dieser Art von Arbeit dazugehört – das kennst du von deiner Arbeit auch — dass die Erwartung besteht, manchmal auch abends und auch am Wochenende zu arbeiten. Was die Arbeitszeit nicht erweitert, aber die verfügbare Zeit anders verteilt als bei anderen, die von montags bis Freitags gehen.

Das war mein ganzes Berufsleben so und das hat mich persönlich immer davon abgehalten, regelmäßige Termine wie Kirchenchor oder Tanzkurse zu machen, weil oft Abwesenheiten gerade dann waren, wenn so ein Termin war. Da habe ich mich dann immer eher für die Arbeit als für die Regelmäßigkeit eines Hobbys entschieden. 

Was bei mir aber definitiv nicht zu kurz kommt ist die Kultur: also Kino, Konzerte, Theater. Und das würde ich gerne auch in diesem kommenden Jahr wieder deutlicher wahrnehmen und ehrlicherweise auch mit diesem Geld unterstützen, weil da in den letzten anderthalb Jahren auch eine Dürrezeit für viele von diesen Einrichtungen war. Und ich finde, dass Kunst, Kultur und Musik einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität leisten und ich es wichtig fände, wenn es das weiterhin gäbe.

Dabei denke ich gar nicht mal so sehr im kirchlichen Bereich, sondern auch im regionalen oder in der Subkultur, wie man das so schön nennt. Das ist tatsächlich meine Freizeit, da bin ich eher in anderen Kulturstätten unterwegs als nur in kirchlichen.

Weil du gerade erwähnt hattest, dass du ab und zu deine privaten Interessen nicht so sehr mit den beruflichen vereinen kannst — wenn dein Hauptamt dich nicht so erfüllen würde, würdest du die gleiche Wahl treffen und keinen regelmäßigen Hobbies nachgehen und die Arbeit über das Privatleben stellen?

Das kann ich ehrlicherweise nicht beantworten. Also erstens hatte ich das noch nie. Ich hatte immer einer Arbeit, die mich sehr fasziniert hat. Da bin ich immer sehr privilegiert gewesen, was nicht selbstverständlich ist für eine Frau, die Theologie studiert hat, aber bei mir war das so.

Wir haben vereinbart, dass du das Grundeinkommen ab August ausgezahlt bekommst. Kannst du kurz erzählen, was man da organisieren muss? Oder was du organisiert hast? 

Was ich mit dem Grundeinkommen nicht machen werde, ist, für dieses eine Jahr meinen Arbeitsalltag nochmal umzubauen. Weil ich jetzt gerade unabhängig von diesem Grundeinkommen meine Arbeitsstunden verändert hatte — die Reduktion von 35 auf 28 Stunden war ja unabhängig davon. Und eine weitere Veränderung für ein Jahr würde zulasten meiner Kolleginnen und Kollegen gehen. Und das finde ich, ist nicht der Sinn eines Grundeinkommens, dass andere Leute dann mehr Last damit haben. Das würde sich sehr egoistisch anfühlen. 

Deswegen werde ich nicht einen weiteren Tag reduzieren, weil diese 28 Stunden sich jetzt gerade anfühlen, wie das, was ich tun will und kann und trotzdem noch Zeit für mich habe.

Die Optionen, die mit Grundeinkommen verbunden sein könnten — ich mach jetzt ein Jahr gar keine Arbeit sondern nur was für mich — ist keine Option für mich, weil ich nach dem Jahr gerne zurückkommen möchte. Und weil ich kein junger Mensch mehr bin, der jetzt ein Jahr Pause macht und schaut, was mit seinem Leben passiert. Ich bin ziemlich am Ende meines Berufslebens angekommen, kann aber noch nicht in Rente gehen. Da müsste ich noch 5 Jahre älter sein. Insofern sind das alles Konstellationen um mich rum, die bei der Frage, was man mit einem Grundeinkommen macht, alle relevant sind. Ich glaube, jeder beantwortet die Frage anders, je nachdem an welchem Punkt des Lebens er oder sie sich befindet. Und für mich wird es nicht so sein, dass ich mein berufliches Umfeld groß verändern werde, abgesehen von diesen 2 Monaten unbezahlten Urlaubs, die ich nehmen werde.

Das ist ja auch total wichtig, zu beobachten, dass die Gestaltung des Arbeitslebens nicht nur vom Geld abhängt, sondern auch davon, wie andere Menschen da mit eingebunden sind. Also bei einigen die Familie oder Menschen, die von einem abhängig sind, und in deinem Fall Kollegen und Kolleginnen, die man nicht einfach hängen lassen kann. Weil die Arbeit nun mal so läuft wie sie läuft.

Das ist für mich zumindest schon eine wichtige Erkenntnis.

Ja, das geht mir genauso und darüber nachzudenken war auch ein großer Teil des ersten Wochenendes nach dem Gewinn.

Und deswegen würde ich gerne das Geld dafür nehmen, monatlich oder zweimonatlich weiterzugeben an 

an Initiativen. Auch um festzustellen, 500 oder 1000€ können tatsächlich eine Menge bewirken für eine Gruppe oder Initiative oder eine Projekt, die das nicht erwarten und es aber brauchen kennen.

Und davon kann ich dann gerne berichten, was ich mir jeweils dabei gedacht habe.

Da bin ich auf jeden Fall sehr gespannt.

Danke dir für deine Zeit!

Danke auch für die Möglichkeit das so auszufüllen!